Julius Fučíks Hauptwerk

Reportage, unter dem Strang geschrieben

Reportáž psaná na oprátce
Die Reportáž psaná na oprátce (Reportage unter dem Strang geschrieben) ist das bekannteste Werk von Julius Fučík. Sie entstand während seiner Inhaftierung im Prager Pankrác-Gefängnis 1943, mit Bleistift geschrieben auf Toilettenpapier. Die 167 Blätter wurden von den Wärtern Adolf Kolínský und Jaroslav Hora aus dem Gefängnis geschmuggelt und versteckt. Das Buch umfasst acht Kapitel. In den ersten drei Kapiteln beschreibt Fučík seine Verhaftung, sein erstes Verhör und die ersten Haftmonate. In den weiteren Kapiteln geht es um das Leben im Gefängnis und den kommunistischen Untergrund in der Tschechoslowakei. Fučík skizziert auch einzelne Mitgefangene und Gefängnisangestellte.

Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 wandte sich Adolf Kolínský an Gusta Fučíková und übergab ihr das Manuskript. Noch im selben Jahr wurde das Buch in der Tschechoslowakei veröffentlicht. In dieser wie in weiteren Ausgaben waren unter der Mitwirkung einflussreicher KPTsch-Mitglieder einige Textstellen gestrichen worden. So wurden Passagen weggelassen, in denen Fučík von seiner Zusammenarbeit mit der Gestapo berichtete, die, laut eigener Aussage, nur zum Schein erfolgt sei. Ebenfalls gestrichen wurden Sätze, in denen es um die Sudetendeutschen ging oder in denen es hieß, dass nicht alle Deutschen mit „den NS-Schergen“ gleichzusetzen seien. Eine vollständige Ausgabe des Buches erschien erst nach 1990.

Bereits 1946 lag das Buch in verschiedenen Sprachen vor. In den folgenden Jahren erschienen in der ČSSR und in zahlreichen anderen Ländern immer wieder neue Ausgaben der Reportage. Für die KPTsch war das Buch von großer Bedeutung. Es wurde zu einem der wichtigsten Werke des Sozialistischen Realismus erklärt. Der Schlusssatz des Buches, „Menschen, seid wachsam“, wurde häufig für propagandistische Zwecke verwendet.

Fučík sollte auch Kindern und Jugendlichen als Vorbild dienen. Dafür wurden spezielle Ausgaben in Kinder- und Jugendbuchverlagen herausgebracht. In der ČSSR und in einigen anderen sozialistischen Ländern war das Buch außerdem Pflichtlektüre in der Schule.

Auch der Mensch Fučík wurde in der ČSSR stark heroisiert, wobei der Kult um seine Person in den 1950er Jahren seinen Höhepunkt erfuhr. In den nachfolgenden Jahrzehnten kam es vereinzelt auch zu verhaltener Kritik an Fučíks Werk. Mehrfach wurden die Echtheit des Textes und dessen Wahrheitsgehalt in Zweifel gezogen. Erst nach dem Systemwechsel konnte 1995 in einer kritischen Ausgabe der Reportage bewiesen werden, dass Julius Fučík tatsächlich der Urheber war.

In der DDR wurde die Reportage zum ersten Mal 1947 im Dietz Verlag veröffentlicht, wobei die publizistische Reaktion zunächst eher gering war. In den folgenden Jahren erschienen bei verschiedenen Verlagen weitere Ausgaben. Außerhalb der sozialistischen Länder gab es generell nur wenig Widerhall. In der Bundesrepublik erschien die Reportage im Jahr 1976. Es sollte bis Anfang der 1990er Jahre die einzige Ausgabe bleiben.

Ein per Hand beschriebenes Blatt aus Julius Fučiks Manuskript der Reportage.

Seite aus Julius Fučiks Manuskript der Reportage,
aus: Václav Kopecký (Hrsg.): Julius Fučík in Fotografien, Prag 1953, S. 103 (Kopie)


Verschiedene Ausgaben der Reportage unter dem Strang geschrieben

Verschiedene Ausgaben der Reportage unter dem Strang geschrieben,
aus: Václav Kopecký (Hrsg.): Julius Fučík in Fotografien, Prag 1953, S. 111 (Kopie)

Das Cover der ersten in der DDR veröffentlichten Ausgabe der Reportage von 1947. Abgebildet ist eine Galgenschlinge, die über dem Buchtitel hängt.

Cover der ersten in der DDR veröffentlichten Ausgabe der Reportage im Dietz Verlag Berlin, 1947,
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