Überblick

Porträtfoto von Julius Fučík, um 1929-1935

Porträtfoto von Julius Fučík, um 1929-1935,
Fotograf*in unbekannt © Wikimedia Commons

Julius Fučík (1903– 1943) war ein tschechischer Kommunist, Journalist und Autor. In den 1930er Jahren arbeitete er für verschiedene Blätter, darunter auch die Zeitung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPTsch), Rudé Pravó. Nach der Besetzung der Sudetengebiete durch das nationalsozialistische Deutschland im Herbst 1938, ging Fučík im folgenden Jahr in die Illegalität. Ab 1941 beteiligte er sich am antifaschistischen Widerstand. Im April 1942 geriet er in die Fänge der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Während seiner Haft im Prager Gefängnis Pankrác wurde Fučík gefoltert. Hier schrieb er heimlich am Manuskript für sein bekanntestes Buch: Reportage unter dem Strang geschrieben. Nachdem er im Juni 1943 nach Berlin verschleppt worden war, verurteilte ihn der nationalsozialistische Volksgerichtshof im August 1943 zum Tode. Am 8. September 1943 wurde Julius Fučík bei einer Massenhinrichtung im Strafgefängnis Plötzensee ermordet.

Kindheit und Jugend

Julius Fučík wurde am 23. Februar 1903 in Smíchov, einem Vorort von Prag geboren. Sein Vater war Eisendreher und nebenberuflich als Schauspieler und Sänger tätig. Sein Onkel gleichen Namens war ein bekannter Komponist. Julius Fučík spielte als Kind im Theater, unter anderem die Hauptrolle im Stück Der kleine Lord. Schon mit zwölf Jahren gestaltete er eigene Zeitungen für seine Familie und seinen Freundeskreis. 1912 zog die Familie nach Pilsen, wo er auch die Schule abschloss.

Fotografie aus dem Jahr 1913 von Julius Fučík mit seiner Schwester Libuše im Kindesalter. Beide tragen vom Matrosenanzug inspirierte Kleidung.

Julius Fučík mit seiner Schwester Libuše, 1913,
Fotograf*in unbekannt, aus: Václav Kopecký (Hrsg.): Julius Fučík in Fotografien, Prag 1953, S. 41 (Kopie)

Das Deckblatt der von Julius Fučík handgeschriebenen Zeitung Čech zeigt eine Skizze eines Porträts, das den Philologen Josef Dobrovksý darstellt, um 1917

Deckblatt der handgeschriebenen Zeitung Čech, die Julius Fučík als Vierzehnjähriger gestaltet hat, um 1917, aus: Václav Kopecký (Hrsg.): Julius Fučík in Fotografien, Prag 1953, S. 45 (Kopie)

Berufs- und Studienjahre

1921 begann Julius Fučík für die staatliche Behörde für Statistik in Prag zu arbeiten und schrieb sich als Gasthörer an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität ein. Im selben Jahr trat er dem sich abspaltenden Flügel der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei bei. Aus ihm sollte später die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KPTsch) hervorgehen. Nach zwei Jahren verlor Fučík seine Anstellung. In den folgenden Jahren schrieb er für verschiedene Zeitschriften über Politik, Theater und Literatur und war ab 1927 Redakteur der Zeitschrift Kmen.

Portraitfoto von Julius Fučík währendseiner Studienzeit, 1927

Julius Fučík während seiner Studienzeit, 1927,
Fotograf*in unbekannt, aus: Václav Kopecký (Hrsg.): Julius Fučík in Fotografien, Prag 1953, S. 50 (Kopie)

5. Parteitag der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei

1929

1929 fand in Prag der 5. Parteitag der KPTsch statt. Eine Gruppe um Klement Gottwald übernahm die Führung und strukturierte die Partei nach totalitär-stalinistischem Muster um. Während viele Gründungsmitglieder daraufhin die Partei verließen, unterstützte Julius Fučík diese Entwicklung. Im selben Jahr wurde er Mitglied der Redaktion der Zeitung der KPTsch, Rudé Pravó.

Fučík und die Sowjetunion

Ein Jahr später bereiste Fučík für vier Monate mit einer Arbeiter*innendelegation zum ersten Mal die Sowjetunion. Unter dem Titel Eine Welt, in der das Morgen schon Geschichte ist veröffentlichte er 1931 Reportagen, in denen er begeistert über seine Reiseeindrücke berichtete. In den folgenden Jahren wurde Julius Fučík wegen seiner publizistischen Tätigkeit und politischen Einstellung mehrmals verhaftet. Von 1934 bis 1935 kehrte er nochmals als Korrespondent der Rudé Pravó in die UDSSR zurück. Seine zustimmenden Berichte über die Sowjetunion unter Stalin stießen auch in kommunistischen journalistischen Kreisen auf Kritik.

Kassiber Julius Fučíks aus dem Gefängnis, 1930. Auf eine aufgeschnittene Zigarettenschachtel wurde per Hand ein Text geschrieben.

Kassiber Julius Fučíks aus dem Gefängnis, 1930,
aus: Václav Kopecký (Hrsg.): Julius Fučík in Fotografien, Prag 1953, S. 54 (Kopie)


Julius Fučík in der Sowjetunion, 1934. Fučík, in der Mitte des Bildes, unterhält sich mit zwei Personen.

Julius Fučík in der Sowjetunion, 1934,
Fotograf*in unbekannt, aus: Václav Kopecký (Hrsg.): Julius Fučík in Fotografien, Prag 1953, S. 75 (Kopie)

Julius Fučík und Gusta Fučíkova, um 1934- 1936. Fučík sitzt mit seiner Partnerin auf einem Stein. Sie hat einen Arm um ihn gelegt.

Julius Fučík und Gusta Fučíkova, um 1934-1936,
Fotograf*in unbekannt, aus: Václav Kopecký (Hrsg.): Julius Fučík in Fotografien, Prag 1953, S. 72 (Kopie)

In der Illegalität

1938 heiratete Fučík seine langjährige Partnerin, die Übersetzerin und Journalistin Gusta Kodeřičová. Im selben Jahr nahm er wie viele andere tschechoslowakische Kommunist*innen während der Sudetenkrise an der Mobilmachung teil. Das Münchner Abkommen und der darauffolgende Einmarsch der Wehrmacht in das Sudetenland stoppten die Mobilmachung. Nachdem das Deutsche Reich im März 1939 auch den tschechoslowakischen Reststaat annektiert hatte, ging Fučík in die Illegalität. Mit seiner Ehefrau lebte er bis zum Sommer 1940 im westböhmischen Chotiměř und studierte die tschechische Literatur des 19. Jahrhunderts. Dort soll er knapp der Verhaftung entgangen und nach Prag geflüchtet sein, wo er Kontakt zu kommunistischen Gruppen suchte. Fučík übernahm das Propagandaressort innerhalb der KPTsch und war in dieser Funktion an der Veröffentlichung mehrerer Ausgaben der Rudé Pravó und anderer Zeitschriften beteiligt. In der Illegalität nahm er die Identität des Professor Horák an.

Julius Fučík in der Illegalität, um 1940/41. Ein lachender Fučík mit Vollbart liest eine Zeitung.

Julius Fučík in der Illegalität, um 1940/41,
Fotograf*in unbekannt, aus: Václav Kopecký (Hrsg.): Julius Fučík in Fotografien, Prag 1953, S. 86 (Kopie)

Deckblatt der illegal von Julius Fučik herausgegebenen Zeitschrift Rudé Právo von 1942. Auf dem Deckblatt ist eine Hand gemalt, die ein Hakenkreuz in der Faust zerdrückt. Die Finger und Hand sind mit den Namen verschiedener Länder, die gegen die Nationalsozialisten kämpften, beschrieben.

Illegale, von Julius Fučik herausgegebene Ausgabe der Zeitschrift Rudé Právo, 1942,
aus: Václav Kopecký (Hrsg.): Julius Fučík in Fotografien, Prag 1953, S. 93 (Kopie)

Verhaftung

24. April 1942

Am 24. April 1942 fand ein Treffen von Mitgliedern des kommunistischen Widerstands in der Wohnung des Ehepaars Jelínek in Prag statt. Die Gruppe wurde von einem Spitzel verraten und durch die Gestapo festgenommen. Fučík trug an diesem Abend zwei Pistolen bei sich, die er aber nicht benutzte. Die Gründe sind nicht eindeutig geklärt. In der Reportage unter dem Strang geschrieben heißt es, er habe gehofft, dass den anderen die Flucht gelingen könne. Eine durch ihn ausgelöste Schießerei sollte sie nicht gefährden. Die einzige Überlebende der Gruppe, Riva Friedová-Krieglová, kritisierte später die Entscheidung Fučíks. Sie hatte einen gewaltsamen Fluchtversuch für möglich gehalten.

Kurz danach wurden auch Gusta Fučíková und weitere Mitglieder des kommunistischen Widerstands verhaftet. Fučík beschuldigte später den mit ihm in der Wohnung festgenommenen Jaroslav Klecan, genannt Mirek, für diese späteren Verhaftungen verantwortlich gewesen zu sein, da er im Gestapo-Verhör geredet habe.

Im Pankrác-Gefängnis

Nach seiner Verhaftung war Julius Fučík bis zum Juni 1943 im Prager Pankrác-Gefängnis inhaftiert. Verhört wurde er im Petschek Palais durch den Gestapo-Beamten Joseph Böhm, den er in einem Abschnitt der Reportage charakterisiert. Hier heißt es auch, dass er lediglich zum Schein mit der Gestapo zusammengearbeitet habe. Diese Passagen wurden bis 1990 zensiert und nicht veröffentlicht. Unklar ist bis heute, ob Julius Fučík durch sein Verhalten Mitglieder des Widerstands geschützt oder gefährdet hat.

Der Historiker Stefan Zwicker kommt in seiner Untersuchung eines Verhörprotokolls der Gestapo vom 29. Juni 1942 zu dem Schluss, dass alle Personen, die Fučík in diesem Verhör namentlich genannt hatte, zu diesem Zeitpunkt schon verurteilt, in Haft oder auf der Flucht waren. Vermutlich konnte die Gestapo durch Fučíks Aussagen keiner Person direkt auf die Spur kommen.

Zdeněk Dvořák: Portrait von Julius Fučík, kolorierte Zeichnung, 1943

Zdeněk Dvořák: Portrait von Julius Fučík, kolorierte Zeichnung, 1943,
© Národní muzeum Prag – ANM, Sbírka MDH, f. Julius Fučík a Gusta Fučíková

Fučík und Böhm

Fučík berichtet in der Reportage, dass Joseph Böhm mit ihm auch Ausflüge, zum Beispiel in ein Gartenlokal, unternommen habe. Er selbst beschreibt dies als einen Versuch Böhms, ihn zum Reden zu bringen, indem er ihm die Vorzüge eines Lebens in Freiheit demonstrierte. Kritische Stimmen vermuten, dass Fučík bei diesen Ausflügen als Lockvogel eingesetzt wurde.

Entstehung der Reportage

Seit dem Frühjahr 1943 erhielt Fučík von dem Gefängniswärter Adolf Kolínský heimlich Schreibmaterial. In der folgenden Zeit entstand so die Reportage unter dem Strang geschrieben, die später von Kolínský und dem Wärter Jaroslav Hora aus dem Gefängnis geschmuggelt wurde.

Anklage

Am 10. Juni 1943 wurde Fučík nach Deutschland überstellt und dort am 28. Juli 1943 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ angeklagt. Der Gestapo-Beamte Böhm beschrieb Fučík in seinem Abschlussbericht als „geistigen Kopf“ der Gruppe, der „erst durch Gegenüberstellungen und Vorlegung von Beweismaterial“ einen Teil seiner Handlungen zugegeben habe.

Prozess

Der Prozess gegen Julius Fučík, Jaroslav Klecan und Lída Plachá fand am 25. August 1943 vor dem Volksgerichtshof in Berlin unter Vorsitz seines berüchtigten Präsidenten Roland Freisler statt. Nach nur drei Stunden endete der Prozess mit einem Todesurteil gegen Fučík und Klecan und einem Freispruch für Lída Plachá, die anschließend ins Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt wurde. Plachá berichtete nach 1945, dass Fučík gegenüber Freisler überlegen aufgetreten sei. In einem Artikel des Neuen Deutschland vom 8. September 1953 wird Fučík mit den an Freisler gerichteten Worten zitiert: „Ihr Urteil wird mir jetzt vorgelesen werden. Ich weiß, es lautet Tode dem Menschen! Mein Urteil über Sie ist schon längst gefällt. In diesem ist mit dem Blut aller ehrlichen Menschen der Welt geschrieben: Tod dem Faschismus! Tod der kapitalistischen Sklaverei! Das Leben dem Menschen! Die Zukunft dem Kommunismus!“ Diese Passage wurde auch in zahlreichen Biographien und Texten über Fučík wiedergegeben. Sie ist allerdings nicht in den erhaltenen Gerichtsprotokollen zu finden.

Ermordung

08. September 1943
‏Nach seiner Verurteilung wurde Fučík ins Strafgefängnis Berlin-Plötzensee überführt. Ein Luftangriff in der Nacht vom 3. auf den 4. September 1943 führte zu Schäden am Gefängnisbau. Um Fluchtversuche zu unterbinden, wurden wenige Tage später in den sogenannten Blutnächten von Plötzensee über 250 Gefangene ermordet. Auch Julius Fučík starb bei diesen Massenhinrichtungen am 8. September 1943 am Galgen. Nach den Erinnerungen von Mitgefangenen soll er auf dem Weg zur Hinrichtung die Internationale gesungen haben. Ohne von seiner Hinrichtung zu wissen, reichten seine Eltern einen Tag später ein Gnadengesuch ein. Versuche der tschechoslowakischen Militärmission im Jahr 1952, Julius Fučíks Grab ausfindig zu machen, blieben ohne Erfolg.